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Die fotografischen Strukturen

Die Darstellung des eigenen Begehrens ist eine der stärksten Motivationen in Guiberts Projekt der Selbstenthüllung: "Wenn ich meine Lust maskieren würde, wenn ich sie ihres Wesens beraubte [...] hätte ich den Eindruck meine Erzählungen zu schwächen, sie kraftlos zu machen."93Da für ihn das (fotografische) "Bild das Wesen der Lust ist"94und sein Leben durch Fotografie stark geprägt ist, verwundert es nicht, daß er die Strukturen seines autobiographischen Projektes der Fotografie abgewinnt. Autobiographie bedeutet für Guibert die Manifestation des Selbst in seinem Selbstbild, das wiederum aus vielen Bilder gebildet wird, denn "das vervielfachte Bild" gibt "ein wirklicheres Bild."95

Die Widersprüche des Subjektes werden nicht durch eine vereinheitlichende Erzählung durch eine "bündige" Selbstinterpretation dargestellt, sondern indem Guibert versucht, seine Wahrnehmung des Augenblicks in eine nur in diesem Sinne authentische Darstellung zu überführen: die "photographische Schrift". Diese bestimmt den Stil der einzelnen Textfragmente, der kleinsten Struktur seines Projekts. Der Einsicht in die innere Widersprüchlichkeit des Subjektes und der Erfahrung seiner Fragmentierung folgend über ältere Fotos seiner selbst sagt Guibert: "[...] das war nicht mehr ich"96werden diese Fragmente nur durch die vom Autor intendierte Identifikation der wiederkehrenden Elemente und Personen zur nächstgrößeren Struktur verbunden: den einzelnen Werken. Diese wiederum verbinden sich ebenso nach dem Prinzip der Identifikation dem einzigen Prinzip, durch das zwischen Fotografien ein Zusammenhang gestiftet werden kann zu Guiberts Selbstbild, zu seiner Autobiographie.

Daß man unschwer in diesem Organisationsprinzip das des Fotoalbums wiedererkennt, stellt einen Grund für den Eindruck der Authentizität, den Guiberts Werk hervorruft, dar: diese Sicht seiner selbst ist dem Leser aus der eigenen Erfahrung vertraut. Susan Sontags Einwand gegen die Fotografie, sie könne keine Erkenntnis vermitteln, da ihr die Mittel rationalen Zusammenhang zu stiften fehlen, erklärt, warum Guiberts Werk eine authentische Darstellung seiner Selbstinterpretation liefert. Die Fragmentierung der Selbsterfahrung kann nicht auf den rationalen Zusammenhang einer Erzählung auf Theorie reduziert werden.

Diese wäre die Einigung, von der Guibert sagt, sie sei der Tod.

 

 

 


Guibert - Übersichtsseite
©1999 Bernd Neugebauer

 

 

(93) Guibert: "Phantom-Bild." A.a.O., S. 87.

(94) Ebd.

(95) Guibert: "Phantom-Bild." A.a.O., S. 97.

(96) Guibert: "Phantom-Bild." A.a.O., S. 63.
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