Darauf habe ich mich seit Monaten gefreut: Obgleich mir die mediale Massenmobilmachung der Kultur-Ressorts diese Vorfreude fast ein wenig verdorben hat – denn Neugier und Interesse an französischer Literatur sind einfach zu groß, als dass ich alle Artikel zum Thema hätte ignorieren können –, werde ich mich morgen Vormittag auf den Weg in die Buchhandlung meines Vertrauens machen.
Mehr noch: Obwohl über Jonathan Littells Die Wohlgesinnnten in den letzten Wochen mehr als genug geschrieben wurde – z.B. hier, hier, hier und ganz viel hier … – habe ich den hoffentlich nicht allzu verblendeten Plan, meine Lektüre hier zu begleiten (und damit die neue Rubrik Leselog zu eröffnen.)
Bevor es (sofern die Aussage der Buchhändlerin, vorbestellen sei wirklich nicht notwendig, sich nicht als Irrtum erweist) morgen losgeht, möchte ich heute basierend auf der Vorab-Sekundär-Lektüre schon mal eine Hypothese formulieren:
Insbesondere die negativen Kritiken arbeiten sich daran ab, dass Littell mit seiner vermeintlich banalen Sprache (die ja wahrscheinlich der Figur des Ich-Erzählers geschuldet ist – Bachtin anyone?) und der detailverliebten Schilderung von Gewalt und sexueller Perversion, die Monströsität der Täter banalisiert.
Aber das scheint mir für Littell das Thema, die „Idee“ der Wohlgesinnten zu sein, darauf scheint sein Wort von der Dejudaisierung des Holocaust abzuzielen: Dem Leser vorzuführen, dass in jedem das Potential zum Täter schlummert, dass es keines speziellen genetischen Defektes bedarf, um beim kollektiven Verbrechen mitzutun sondern eher der besonderen Anstrengung, sich diesem zu verweigern:
„Ihr Menschenbrüder, lasst mich euch erzählen, wie es gewesen ist. Wir sind nicht deine Brüder, werdet ihr antworten, und wir wollen es gar nicht wissen. […] Immerhin betrifft die Geschichte euch: Und ihr werdet schon sehen, wie sehr sie euch betrifft.”
(Jonathan Littell: Die Wohlgesinnten)
(Exkurs: Und man kann sich fragen, ob es nicht der angemessenere Umgang mit geschichtlichen Geschehen ist, eine in jedem Menschen verborgenen Fähigkeit zur Unmenschlichkeit in Betracht zu ziehen statt die Täter zu pathologosieren oder irgendein metaphysisches „Böses“ zur Erklärung heran zu ziehen. Dies nicht, um das Geschehene zu „erklären“ oder gar zu „entschuldigen“, sondern um künftige Gräuel zu verhindern. Was mir – so aussichtslos es sein mag – dann doch weit mehr die gewissermaßen von der Geschichte auferlegte moralische Pflicht zu sein scheint, als jeden der „Autobahn“ sagt, der Talkshow zu verweisen.)
Die erkenntnisleitende Frage meiner Lektüre – oder zumindest des Bloggens darüber – wird somit für den Anfang sein, ob sich der Roman unter obiger Hypothese lesen lässt und ob er unter diesem Aspekt „literarisch funktioniert“.
Antworten oder neue Fragen, demnächst in diesem Weblog.