Liebes Tagebuch, bisher hatte ich erfolgreich verdrängt, dass nächstes Jahr schon wieder Bundestagswahl ist, aber am Montag wurde ich daran wieder scherzhaft erinnert: Die Wahlgeschenksaison 2008/2009 ist eröffnet. Genügte in den Siebzigern noch ein Kochlöffel („Koche mit Liebe, wähle mit Verstand – FDP“), wird im 21. Jahrhundert mit einem sogenannten Steuerkonzept das weiss-blaue vom Himmel versprochen.
So will Herr Huber das Wahlvolk mit den 3+X gesparten Transrapid-Millarden und 25 weiteren beglücken. Und solange niemand nachrechnet, finanziert sich das Ganze auch von selbst aus Aladdins Wunderlampe, die sich bis zur Wahl hoffentlich in den Archiven der bayrischen Staatskanzlei oder dem Magazin des Pergamon-Museums findet.
Bei soviel vor-wahlkampflicher Großzügigkeit mag die SPD nicht nachstehen: Auf dem „Zukunftskongress“ der SPD („Zukunft“ ist übrigens besonders bei Politikern deren eigene gefährdet ist, ein ausgesprochen beliebter Begriff) Ende Mai wollen Captain Beck und Mr Struck ein eigenes Steuerkonzept vorstellen, mit dem sie in den endlichen Weiten der Republik neue potenziell SPD-wählende Lebensformen zu entdecken hoffen. Nicht nur als Freund des Science-Fiction-Genres darf man gespannt sein, denn Steuerideen gehören eindeutig zu den phantasievollsten Stücken der Wahlversprechens-Prosa.
So gerne ich mich des Merzschen Bierdeckels (Wäre für mich als Becks-Trinker dann eigentlich das Finanzamt Bremen zuständig?) oder die Professor-Kirchoffsche Flat-Tax, die nichts kosten sollte ausser Frau Merkel den sicher geglaubten Wahltriumph, erinnere, blicke ich manchmal wehmütig auf die Zeiten, als die Parteien an den Verstand des Wählers und nicht nur an sein Vermögen appellierten.
Und überhaupt brauche ich langsam mal einen neuen Kochlöffel.