Obwohl Grunge sich als Reformation gerierte, war die Gemeinde in ihren Vorstellungen von Gut und Böse rigider als die katholische Kirche. Nachdem die Lemonheads des Verstosses gegen das erste Grunge-Gebot („Du sollst keinen Kommerz machen“) überführt waren, wurde ihr Frontmann Evan Dando (zu allem Überfluss wie die letzte Boygroup-Husche auch noch zum „Sexiest Man alive“ gekürt) nicht Nachfolger des genregerecht abgetretenen Grunge-Gottes Kurt I., sondern als schlimmster Judas der alternativen Musik exkommuniziert.
Aber der kalte Krieg der Jugend-(Musik)-Kulturen ist längst vorbei, Dandos Drogenkarriere darf als erfolgreiche Bewährung gelten und liebt nicht auch der Heilige Vater die zurückgekehrten verlorenen Schafe mehr als die buchstabentreuen Muster-Gläubigen?
Dank kräftiger Mithilfe von Grunge-junior-Dinosaurier J Mascis, einer perfekten MP3-verschenken-Myspace-Web 2.0-Vermarktungsmaschine und euphorischen Kritiken der alternativmusikalischen Glaubenskongregation dürfen die wiederauferstandenen Lemonheads immer noch Pop machen – aber dennoch als resozialisiert gelten, bevor am Freitag das neue Album auch in Deutschland erscheint und neue und alte Jünger in die virtuellen und realen Läden rennen. Ich natürlich auch.